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Anzahl Unterstützungsunterschriften bei vorgezogenen Neuwahlen des Thüringer Landtags

Die durch FDP und CDU im Frühjahr 2020 hervorgerufene und bisher schwerste Regierungskrise in Thüringen und die von Rot-Rot-Grün und CDU ausgehandelten möglichen vorgezogenen Neuwahlen des Thüringer Landtags am 25. April 2021 zeigen auf, dass es im Thüringer Wahlgesetz für den Landtag noch keine gesetzlichen Grundlagen für die Details zu vorgezogenen Neuwahlen gibt. Diese gibt es z.B. in Rheinland-Pfalz.

Bei vorgezogenen Neuwahlen verkürzt sich der ganze Prozess vom frühestmöglichen Termin zur Nominierung von Kandidaten bis zum Wahltermin von bei regulären Neuwahlen 18 Monaten auf 60 bzw. 70 Tage. Nach aktueller Gesetzeslage in Thüringen müssen Parteien, die noch nicht im Thüringer Landtag vertreten sind, bei vorgezogenen Neuwahlen dennoch 1.000 Unterstützungsunterschriften für die Landesliste und 250 Unterstützungsunterschriften für Direktkandidaten sammeln.

Wir haben das Thüringer Innenministerium auf diesen Sachverhalt hingewiesen und eine Anfechtung der Wahl bzw. des Wahlergebnisses angekündigt, sollte die aktuelle Gesetzeslage bei der möglichen vorgezogenen Neuwahl des Thüringer Landtags am 25. April 2021 zur Geltung kommen.

Mit einer noch nicht beschlossenen Verordnung soll einmalig die Nominierung von Kandidaten bereits ab dem 1. September 2020 möglich, obwohl die vorgezogene Neuwahl erst im Januar oder Februar 2021 beschlossen werden soll.

Auch wenn diese Vorgehensweise doch etwas skurril ist, haben wir uns dennoch beim Thüringer Innenministerium dafür bedankt, dass man sich damit darum bemüht, den noch nicht im Thüringer Landtag vertretenen Parteien halbwegs faire Chancen für einen erfolgreichen Wahlantritt zu gewähren. Wir haben dabei nochmal deutlich darauf hingewiesen, dass dennoch für zukünftige Fälle gesetzliche Regelungen geschaffen werden müssen.

Dass man danachi im Freistaat Thüringen seitens der Vertragspartner Landesregierung und CDU beginnt über eine Verschiebung des möglichen Wahltermins zu diskutieren, stieß bei uns auf kein Verständnis. Es setzte den Geschehnissen der vorangegangen Monate die Krone auf.

Wir hatten mit einer E-Mail vom 1. Juli 2020 noch einmal darauf hingewiesen, dass die sinnvollste und nachhaltigste Lösung aus unserer Sicht eine entsprechende Änderung des Thüringer Wahlgesetzes wäre. Im Landeswahlgesetz von Rheinland-Pfalz ist für vorgezogene Neuwahlen des Landtags festgelegt, dass für Landeslisten dann nur 25 % und für Direktkandidaten dann nur 40% der für reguläre Neuwahlen benötigten Unterstützungsunterschriften notwendig sind. Weiterhin wiesen wir bei dieser Gelegenheit daraufhin, dass in Thüringen, obwohl die Wahlkreise etwa 40% weniger Wahlberechtigte haben, doppelt so viele Unterstützungsunterschriften für Direktkandidaten wie in Rheinland-Pfalz zu sammeln sind.

Mit einem Schreiben vom 14. Juli 2020 wurde uns mitgeteilt, dass man die geplante 2. Verordnung nicht verabschieden wird. Es blieb abzuwarten, ob das Thüringer Wahlgesetz geändert wird, die ganz offensichtlich fehlenden Details für vorgezogene Neuwahlen zu ergänzen.

Mit einem Offenen Brief vom 19. Oktober 2020 wiesen wir abermals daraufhin, dass hier nach wie vor eine Gesetzeslücke besteht. Sollte diese nicht geschlossen werden, hatten wir vorab die Anfechtung der möglichen vorgezogenen Neuwahl des Thüringer Landtags am 25. April 2021 angekündigt.

Beteiligtendokumentation des Thüringer Landtags zur Drucksache 7/2043

Am 4. November 2020 ist ein Gesetzentwurf von Rot-Rot-Grün erschienen. Wir lehnten diesen u.a. deshalb ab, weil dieser keine nachhaltige Lösung für mögliche zukünftige vorzeitige Neuwahlen des Thüringer Landtags beinhaltet, sondern lediglich für Wahlen im Jahr 2021 vorgesehen ist.

Gesetzesentwurf online (PDF)

Mit einer Stellungnahme von 19. Dezember 2020 stellten wir fest, dass der Gesetzesvorschlag aus unserer Sicht kein hohes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet und zudem die vorgeschlagene Reduzierung der Anzahl zu sammelnder Unterstützungsunterschriften unzureichend ist.

Am Abend des 14. Januar 2021 vereinbarten die Vertragspartner Die Linke, SPD, B'90/Grüne und CDU, dass der Termin für die mögliche vorzeitige Neuwahl des Thüringer Landtags auf den Termin der Bundestagswahl am 26. September 2021 verschoben wird. Wir reagierten am Vormittag des 14. Januar 2021 mit einer E-Mail an die politisch Verantwortlichen und die zentralen Medien in Thüringen auf den offensichtlich ebenfalls diskutierten Terminvorschlag 6. Juni 2021. Hier kritisierten wir u.a., dass dieser Termin Ostersamstag als frühestmöglicher Termin für eine Nominierungsversammlung zur Aufstellung der Landesliste oder/und von Direktkandidierenden bedeuten würde. In einer Pressekonferenz am späten Abend vermittelten einzelne Äußerungen der Parteivertreter und einzelne Fragen der anwesenden Journalisten recht deutlich den Eindruck, dass unsere E-Mail offensichtlich gelesen wurde.

Am 29. Januar 2021 wurde ein Änderungsantrag zum Gesetzesvorschlag mit der Bitte um Stellungnahmen verteilt. Zwischenzeitlich wurden Bestimmungen zur Bundestagswahl 2021 bezüglich der Online-Nominierung von Kandidaten und Kandidaten bekannt. Es zeigt sich nun, dass die 70-Tages-Frist für ein solches Verfahren, welches wohl etwa drei Wochen Zeitaufwand in Anspruch nehmen würde, nicht ausreichend ist. Weiterhin enthielt eine Stellungnahme eines Rechtsexperten einen Hinweis darauf, dass die aktuell gültigen 250 geforderten Unterstützungsunterschriften für Wahlkreiskandidierende bei regulären Neuwahlen des Thüringer Landtags offensichtlich verfassungswidrig sind. U.a. darauf weisen wir mit unserer Stellungnahme vom 23.2.2021 hin.

Am 12.3.2021 wurde das Wahlgesetz für eine mögliche Landtagswahl im Jahr 2021 vom Thüringer Landtag beschlossen. Am 19.3.2021 teilten wir mit, dass wir die Einschaltung des Landesverfassungsgerichts beabsichtigen.

Am 31.3.2021 wurde das Gesetz veröffentlicht.

Am 3.4.2021 kündigten wir mit einem Schreiben an den Gesetzgeber den Antrag auf ein Organstreitverfahren und den Antrag auf eine einstweilige Verfügung an, sollte der Gesetzgeber nicht bis zum 30.4.2021 nachbessern.

Am 16.7.2021 teilten die Fraktionen von Die Linke und B'90/Grüne mit, dass sie den bis dato beabsichtigten Antrag auf eine vorzeitige Neuwahl des Thüringer Landtags nicht mehr unterstützen. Der Beschluss zur Auflösung des Landtags sollte eigentlich am 19.7.2021 getroffen werden. Somit kam es nicht zur vorzeitigen Neuwahl des Thüringer Landtags. Wir hatten dies zwischenzeitlich so erwartet und deshalb dazu auf den Antrag auf ein Organstreitverfahren verzichtet.

Plenardebatte des Thüringer Landtags vom 12.3.2021

Gesetzliche Gundlagen

Verfassung des Freistaats Thüringen – Zweiter Abschnitt ab §48: https://www.thueringen.de/imperia/md/content/landtag/gesetze/verfassung_internet.pdf

Landeswahlgesetz:  http://landesrecht.thueringen.de/jportal/?quelle=jlink&query=WahlG+TH&psml=bsthueprod.psml&max=true

Landeswahlordnung: https://wahlen.thueringen.de/landtagswahlen/gesetze/Landeswahlordnung.pdf

Verordnung vom 27.2.2020: http://www.parldok.thueringer-landtag.de/ParlDok/dokument/74582/gesetz_und_verordnungsblatt_nr_3_2020.pdf

Thüringer Gesetz für den Fall der vorzeitigen Durchführung von Neuwahlen im Jahre 2021 fürden Thüringer Landtag sowie zur Änderung weiterer wahlrechtlicher Vorschriften vom 23.3.2021:

https://parldok.thueringer-landtag.de/ParlDok/dokument/80641/gesetz_und_verordnungsblatt_nr_8_2021.pdf