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Pressemitteilung

Thüringer ÖDP sieht in Sonneberger Landratswahl eigenen politischen Auftrag bestätigt

ÖDP-Landesvorsitzender und Sonneberger Fast-Landratskandidat zieht Resümee

ÖDP-Landesvorsitzender Martin Truckenbrodt

ÖDP-Landesvorsitzender Martin Truckenbrodt - Foto: ÖDP

Martin Truckenbrodt, Landesvorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) in Thüringen, ist selbst im Landkreis Sonneberg zuhause. Er ist, eine gesamtdeutsche Ehe führend, 2004 aus dem oberfränkischen Nachbarlandkreis Coburg nach Thüringen gezogen. Am 1. März hat er zur Sonneberger Landratswahl seinen eigenen Hut in den Ring geworfen, zog allerdings später wieder zurück. Grund hierfür war, dass sich die weiteren Parteien und Wählergruppen im Landkreis nicht darauf verständigt haben, einen gemeinsamen Kandidaten gegen die Kandidaten der CDU und der AfD aufzustellen. Truckenbrodt sah sich hier auch als möglicher Brückenbauer und kommentiert den Ausgang der Landratswahl nun mit einer persönlichen Erklärung:

Wenig beliebte und überzeugende Kandidaten zur Sonneberger Landratswahl

Jürgen Köpper ist in der Bevölkerung des Landkreises Sonneberg nicht besonders beliebt. Weiterhin gab es im Zusammenhang mit der letzten Bürgermeisterwahl 2022 in der Stadt Sonneberg ein größeres Zerwürfnis innerhalb der Landkreis-CDU. Jürgen Köpper wurde nur deshalb nominiert, weil er zuletzt bereits kommissarischer Landrat war. Diese übliche Vorgehensweise der CDU ist nun innerhalb eines Jahres ein zweites Mal im Landkreis Sonneberg massiv gescheitert. Der Amtsbonus wurde zum Bumerang. B‘90/Grüne und Die Linke stellten eine erst vor wenigen Jahren Zugezogene aus den Reihen der Grünen auf, die zwar bereits etwas kommunalpolitische Erfahrung besitzt, der man jedoch auch ihre ursprüngliche politische Heimat in SED, PDS und Die Linke deutlich anmerkt. Die SPD stellte eine politisch unerfahrene parteilose Kandidatin auf. Kurzum: Die weiteren Parteien und Wählergruppen im Landkreis Sonneberg haben wenig verantwortungsbewusst und sehr eigensinnig gehandelt. Die Kandidatenauswahl innerhalb des demokratischeren Spektrums war in Folge dessen nicht gerade berauschend gewesen. Auch das hat die Kandidatur und den Wahlerfolg von Robert Sesselmann ermöglicht.

Wer die Protestwähler ins demokratische Lager zurückholen will, muss bessere Politik machen. Politik, welche ausschließlich den Interessen des Gemeinwohls dient.

Fakt ist, dass aktuell in Deutschland sehr viele Menschen mit der gegenwärtigen Politik unzufrieden sind. Ein Verbot der AfD würde daran nichts ändern. Wen sollen die Unzufriedenen und Enttäuschten dann wählen? Etwa die NPD? Letztendlich wäre ein Verbot der AfD ein Herumdoktoren an Symptomen. An den Ursachen, die nun zur erfolgreichen Protestwahl im Landkreis Sonneberg geführt haben, ändert sich dadurch nichts.

Missachtung des Wählervotums stärkt Populisten und Extremisten

Deshalb ist es wichtig, jetzt schon das Wählervotum von Bürgerinnen und Bürgern, natürlich in einem klar abgegrenzten Umfang und Rahmen, zu akzeptieren. Denn hinter jedem Mandatsträger der AfD stehen Wählerstimmen, also Bürgerinnen und Bürger. Ein gemeinsames Handheben im Parlament stellt grundsätzlich keinen Akt der aktiven politischen Zusammenarbeit dar. Also werden Wählerstimmen ohne Grund missachtet, wenn wegen Kleinigkeiten, wie die der demokratisch legitimen Abwahl des Bürgermeisters in Hildburghausen, gleich überschwellig von Dammbrüchen die Rede ist. Klar ist, dass insbesondere im Bundestag und in Landtagen auch mal Entscheidungen anstehen, welche tatsächlich einen Dammbruch bedeuten würden, würden diese zusammen mit Extremisten getroffen werden. Jedoch abseits solcher Anträge und Abstimmungen sollte man das Wählervotum akzeptieren. Protestwähler vorschnell und pauschal in die rechte Ecke zu stellen, treibt diese umso mehr in die Arme der AfD. Generell braucht es eine neue Strategie gegen Rechts, da die bisherige Strategie die AfD ganz offensichtlich eher befördert hat, anstatt diese zu schwächen. Diese Strategie muss jedoch zwingend maßgeblich von der gesellschaftlichen und politischen Mitte entwickelt werden. Wird diese wieder maßgeblich von Personen aus dem linken politischen Spektrum erstellt, so wird diese logischerweise wieder die Polarisierung unserer Gesellschaft weiter befördern. Sie wird sonst wieder Protestwähler in die Arme der Rechtspopulisten und Rechtsextremisten der AfD treiben.

Deutsche Einheit noch lange nicht vollendet

Unser Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke), ebenfalls ein zugezogener „Wessi“, zeigt nach dem Wahlausgang bisher für mich die vernünftigste Reaktion. Er stellt sich hinter die Menschen in den Neuen Bundesländern. Er fordert hierbei eine Neudefinition des Geists der Deutschen Einheit ein. Er spricht auch mir damit aus der Seele. So mancher am Grünen Tisch sitzender Politologe und Soziologe sollte sich das nun zu Herzen nehmen und beginnen mit den Menschen und nicht über diese zu reden und überheblich zu richten.

Demokratische Diskussions- und Streitkultur wiederherstellen

Man kann in Deutschland auch heute noch seine Meinung frei äußern. Spätestens seit Corona muss man jedoch darum fürchten, dass man dafür in einer existenzgefährdenden Art und Weise öffentlich diffamiert wird. Wir müssen wieder lernen Meinungsvielfalt auszuhalten. Wir müssen wieder das respektvolle und wertschätzende Miteinander erlernen. Die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaft muss beendet werden. Ein Blick in den Spiegel ist dafür für alle der erste notwendige Schritt.

Totalitäre Politik von oben beenden

Insbesondere die vor 1975 geborenen ehemaligen DDR-Bürger besitzen noch einen Erfahrungswert, den die allermeisten Menschen in den Alten Bundesländern nicht mehr haben: Sie wissen noch, wie sich ein totalitäres System anfühlt und wie dieses funktioniert. Und ja, sie fühlen sich bei verschiedenen Aspekten der aktuellen deutschen Politik und aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen daran erinnert. Gendern, kulturelle Aneignung, Veganismus, Verbrenner- und Heizungsverbot sind z.B. alles Dinge, hinter denen die Mehrheit der Bevölkerung nicht steht. Eine offensichtliche Minderheit schafft es hingegen aktuell erfolgreich, diese Entwicklungen und Absichten, deren Sinnhaftigkeit und Nutzen äußerst umstritten ist, mit Unterstützung von oben erfolgreich durchzudrücken.

Der Diskussion um den Klimawandel fehlt es an Ehrlichkeit und Sachlichkeit.

Der Klimawandel wird momentan insbesondere von den Politisch Verantwortlichen in einer Art und Weise diskutiert, welche den natürlichen Klimawandel geradezu leugnet. Das ist nicht zuletzt auch unsachlich. Das seit Beginn der Industrialisierung massiv betriebene Freisetzen von über zig und hunderte Millionen Jahre hinweg in Kohle, Erdgas, Öl und Torf gespeichertem CO2 innerhalb kürzester Zeit verzerrt und verschärft hingegen den natürlichen Klimawandel. Dies so sachlich korrekt zu erklären, würde die Akzeptanz für die natürlich dringend notwenige Energiewende sehr deutlich erhöhen. Es zeigt aber auch in anderen Aspekten, dass auch eine Rohstoffwende notwendig ist. Denn wir sind hier zunehmend und mittlerweile bereits schon massiv von China abhängig.

Das Klimakleben der sogenannten Letzten Generation richtet sich nicht gegen die ungenügende Politik. Es richtet sich stattdessen gegen die Bevölkerung. Es behindert den Alltag der Menschen. Es erzeugt negative Emotionen. Es schadet damit ebenfalls massiv der Akzeptanz einer umweltfreundlicheren Politik. Es ist also kontraproduktiv. Weiterhin überschreitet es die Grenzen des friedlichen Protests dadurch, dass es Ordnungs- und Hilfskräfte dazu nötigt, die Demonstranten eventuell erheblich körperlich verletzen zu müssen.

Der Landkreis Sonneberg muss nun die Folgen der Unzufriedenheit ausbaden.

Der Wahlerfolg von Robert Sesselmann ist eigentlich der Wahlerfolg von Björn Höcke. Abermals zeigte dieser ein sehr gutes taktisches Gespür dafür, im richtigen Moment die richtige öffentlichkeitswirksame Maßnahme durchzuführen. Das Heizungsverbot war für die AfD der richtige Zeitpunkt gewesen, die Sonneberger Landratswahl zur Protestwahl zu erklären. Also hat es maßgeblich die Verbotspolitik der Grünen zu verantworten, dass der Landkreis Sonnberg nun einen Landrat der AfD hat. Dieses Schicksal hätte auch jeden anderen Landkreis in den Neuen Bundesländern ereilen können. Das möchte ich doch betonen!

Ja, diese Wahl wird negative wirtschaftliche Folgen für den Landkreis Sonneberg haben. Da bin ich mir sicher. Ebenso wird insbesondere die weitere bundesländerübergreifende Zusammenarbeit mit den Nachbarlandkreisen in Oberfranken sehr schwierig werden. Ob Robert Sesselmann in der Lage ist, eine Landkreisverwaltung zu führen, muss er jetzt beweisen. Es ist auch abzuwarten, wie sich die Mitarbeiterschaft nun verhalten wird. Im Kreistag hat er keine AfD-Mehrheit hinter sich. Dies stellt auch eine Herausforderung für die weiteren Kreistagsfraktionen dar. Auch die Zusammenarbeit mit den Gemeinden des Landkreises und deren Bürgermeistern könnte schwierig werden. Es gilt also einiges die nächsten Monate abzuwarten. Voraussichtlich am 9. Juni 2024 wird der Kreistag neu gewählt.

Die Menschen wollen ideologiefreie politische Alternativen. Diese werden jedoch ausgebremst und verhindert.

Der Charakter einer Protestwahl der Sonneberger Landratswahl ist unverkennbar. Wir als ÖDP bieten uns seit mehr als 40 Jahren als demokratische Alternative aus und in der Mitte der Gesellschaft an. Wir wollen eine pragmatische und ideologiefreie Politik machen. Eine menschliche und umweltfreundliche Politik der Angebote, nicht eine Politik der Verbote. Eine Politik, welche ausschließlich die Interessen des Gemeinwohls verfolgt und vertritt. Eine Politik des Miteinanders, des Miteinanderredens, keine Politik des Spaltens und des Polarisierens.

Wir werden auch weiterhin alles uns Mögliche dafür tun, uns als demokratische Alternative anzubieten.

Dafür müssen wir uns leider in Thüringen erst einmal dafür einsetzen, dass es bei den Wahlen gerecht zugeht. Dafür, dass die verfassungsgemäßen Prinzipien der Gleichheit der Wahl und der Chancengleichheit der Parteien eingehalten werden.

5%-Sperrklausel schwächt vor allem die Mitte

Leider werden wir insbesondere auch durch die undemokratische und unwirksame 5%-Sperrklausel kurzgehalten, welche zudem mit dem sogenannten strategischen Wählen zu einer systematischen Verfälschung des Wahlergebnisses führt. Trotz 5%-Sperrklausel konnte sich die AfD zur etablierten Partei entwickeln. Trotz 5%-Sperrklausel gibt es in Thüringen seit Ende 2019 keine Mehrheitsregierung mehr. Stattdessen und tatsächlich schwächt die 5%-Sperrklausel vor allem die Mitte – wie z.B. ÖDP, Piratenpartei, Freie Wähler und Volt - und gefährdet damit die Demokratie.

Stattdessen wird ein Gesetz, welches die Anzahl der regulären Sitze im Bundestag erhöht, als Gesetz zur Verkleinerung des Parlaments verkauft, anstatt mit einer einseitig deutlich niedrigeren Anzahl an Wahlkreisen die Entstehung von Überhang- und Ausgleichsmandaten deutlich einzudämmen. Stattdessen begründet man mit fadenscheinigen Argumenten die Wiedereinführung einer Sperrklausel bei der EU-Wahl, weil man den kleineren Parteien ihre wenigen Sitze dort nicht gönnt. All das zeigt sehr deutlich: Es geht den etablierten Parteien um Posten, um nichts anderes. Sollen Bürgerinnen und Bürger dies gutheißen?

Thüringen ab der nächsten Landtagswahl im September 2024 wohl nicht mehr regierbar

Stattdessen ist zu befürchten, dass das Ergebnis der voraussichtlich am 1. September 2024 stattfindenden Landtagswahl dazu führen wird, dass die Wählerstimmen für die FDP (2019: 5,0066 %), von B‘90/Grüne (2019: 5,4 %) und vielleicht sogar der SPD (2019: 8,2 %) im 8. Thüringer Landtag nicht mehr vertreten sind. Das wird auch die Position der AfD im Thüringer Landtag stärken. Die CDU müsste sich dann entweder für Die Linke oder die AfD öffnen.

Demokratie mit mehr demokratischer Vielfalt retten – 5%-Sperrklausel abschaffen

Auch aus diesem Grund werden wir uns als ÖDP nach den kommenden Sommerferien verstärkt für eine Abschaffung der 5%-Sperrklausel einsetzen. Wir wollen so also nicht nur im ganz eigenen Interesse mit mehr demokratischer Vielfalt die Demokratie retten. Im Interesse der demokratischen Vielfalt und der Demokratie selbst hoffen wir auch, dass der Thüringer Verfassungsgerichtshof am 28. Juni im Verfahren VerfGH 21/22 eine Entscheidung in unserem Interesse verkünden wird.

Dringender Reformbedarf für Thüringer Kommunalwahlgesetzgebung

Auch an der mündlichen Verhandlung zum Verfahren VerfGH 26/22, welches, für uns natürlich nicht völlig überraschend, keine Chance auf formelle Zulässigkeit hatte, hat der Thüringer Verfassungsgerichtshof dem Thüringer Landtag sehr deutlich den Rat gegeben, eine Reform der Thüringer Kommunalwahlgesetzgebung anzugehen und umzusetzen, um zukünftige Anfechtungen, welche nach aktueller Gesetzeslage große Aussicht auf Erfolg hätten, im Vorfeld zu vermeiden.

Wir werden zu den nächsten vermutlich am 9. Juni 2024 stattfindenden Kommunalwahlen unseren bisher flächendeckendsten Wahlantritt zu Kommunalwahlen in Thüringen auf die Beine stellen. Wir wollen die Anzahl unserer derzeit neun kommunalen Mandate in Thüringen zumindest verdoppeln. Das liegt im Rahmen unserer Möglichkeiten. Gerade auch bei mir im Landkreis Sonneberg merke ich sehr deutlich, dass für einen den Menschen dienlicheren Politikstil dringend ein frischer Wind notwendig ist.

Für den Sonneberger Kreistag ist schon länger die Aufstellung eines Wahlvorschlags der ÖDP geplant. Wir werden alles dafür geben, den Menschen eine tatsächliche Alternative anbieten zu können.

Abschließend möchte ich mich noch kurz bei der Redaktion unserer Tageszeitung Freies Wort bedanken. Sie hat mit Leitartikeln und anderen Beiträgen die letzten Wochen einen sehr nachdenklichen und in gewisser Weise auch selbstkritischen Ton angeschlagen und sich hierbei stärker hinter die Bevölkerung gestellt. Das gibt Hoffnung für die Zukunft!

 

25.6.2023 dpa-Meldung auf ZEIT ONLINE – Zitat Bodo Ramelow
https://www.zeit.de/news/2023-06/25/ministerpraesident-ramelow-afd-sieg-in-sonneberg-ein-signal

31.1.2023 Neue Strategie gegen Rechts - Offener Brief an dem Landesvorstand der Thüringer SPD:
https://www.oedp-thueringen.de/aktuelles/aktionen/newsdetails/news/offener-brief-an-den-thueringer-landesvorstand-der

Verfahren VerfGH 21/22 Landeswahlgesetzgebung:
https://www.oedp-thueringen.de/themen/wahlgesetzgebung/landeswahlgesetzgebung

Verfahren VerfGH 26/22 Kommunalwahlgesetzgebung:
https://www.oedp-thueringen.de/themen/wahlgesetzgebung/kommunalwahlgesetzgebung

Mehr Demokratie e.V. Thüringen – Petition modernes Wahlrecht
https://thueringen.mehr-demokratie.de/wahlrecht/petition-modernes-wahlrecht/

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