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Persönlicher Kommentar

„Kinder halten uns nicht von Wichtigem ab. Sie sind das Wichtigste!“

Ein Beitrag zum Weltkindertag am 20. September 2022

André Ziervogel (Erfurt), Vorsitzender des ÖDP Regionalverbandes Mittelthüringen, Psychologischer Psychotherapeut (i.A.)

André Ziervogel (Erfurt), Vorsitzender des ÖDP Regionalverbandes Mittelthüringen, Psychologischer Psychotherapeut (i.A.) - Foto: ÖDP

„Kinder halten uns nicht von Wichtigem ab. Sie sind das Wichtigste!“ Dieser Satz des amerikanischen Arztes Dr. John Trainer lädt uns am heutigen Internationalen Kindertag ein, unsere Kinder und Jugendlichen in Thüringen besonders in den Blick zu nehmen und zu fragen: „Wie wichtig sind uns unsere Kinder und Jugendlichen?“

Aus dem Bericht „Zu dick, einsilbig und verhaltensauffällig?“ der AOK Plus vom 30.08.2022 geht hervor, dass etwas über ein Drittel der Grundschüler psychiatrisch relevante und damit behandlungsbedürftige Entwicklungs- und weitere psychische Störungen aufweisen.  Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland gibt von 2009 zu 2017 eine Zunahme der Diagnoseprävalenz (Anteil der Kinder und Jugendlichen, die im Verlauf eines Jahres mindestens eine Diagnose einer psychischen Störung erhielten) von 23 auf 28 % an. In der KIGGS-Studie des Robert-Koch-Institutes zur „Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ geben Eltern psychische Auffälligkeiten bei bis zu 20 % der Kinder an. Bezogen auf den weiteren Lebenslauf halten die Autoren fest: „Psychische Auffälligkeiten in Kindheit oder Jugend können […] die Chancen für ein gesundes und sozial erfolgreiches Leben Betroffener zum Teil erheblich beeinträchtigen“ und sehen zudem einen engen Zusammenhang zwischen dem sozioökonomischen Status einer Familie, Bildungsbiographie und psychischer Gesundheit.

Wir müssen also annehmen, dass in jeder Schulklasse in Thüringen mindestens zwischen 3 und 6 Schüler sitzen, die in erheblichen Maß psychisch belastet sind!

Wie dramatisch diese Situation für den Entwicklungsraum Schule ist, wurde unlängst durch den verzweifelt wirkenden Appell der Vorsitzenden des Thüringer Philologenverbandes Heike Schimke: „HILFE! - Wir brauchen dringend Hilfe!“ deutlich. Nicht nur unsere Kinder und Jugendlichen scheinen sich zunehmend alleingelassen zu fühlen, sondern auch ihre Eltern, Lehrer und alle, die Verantwortung für die Entwicklung unserer Kinder übernehmen.
 
Als Ökologische Demokraten sind wir grade in dieser unsicheren und wirtschaftlich angespannten Zeit nicht bereit, uns mit dieser Situation abzufinden: „Kinder halten uns nicht von Wichtigem ab. Sie sind das Wichtigste!“. Daher fordere ich als Psychologischer Psychotherapeut (i.A.):

  • Eine verlässliche personelle Ausstattung und Aufstockung des schulpsychologischen Dienstes mit einer verlässlichen Präsenz an den Schulen!
  • Keine Kurzzeitverträge im Bildungsbereich, um unseren Lehrern und Pädagogen zu ermöglichen, in eine verlässliche Beziehung zu ihren Schülern zu treten!
  • Erziehungsgehalt und Kindergrundsicherung, denn Bildungsbiographie und psychische Gesundheit darf nicht vom sozioökonomischen Status einer Familie abhängen!
  • Institutionalisierte Koordination zwischen Jugendämtern, Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, stationären und ambulanten Behandlern des psychosozialen Spektrums (u.a. Psychiater und Psychotherapeuten), zum Beispiel durch Stärkung des Sozialpsychiatrischen Dienstes oder Integration eines Schulpsychiatrischen Dienstes!
  • Eine Stärkung und bessere Integration von Sportvereinen, Musikschulen und Trägern von Jugendarbeit an den Schulen.
  • Eine umfassendere und praktische Qualifikation der Lehrer und Erzieher bezüglich psychischer Gesundheit und bindungsorientierter Pädagogik und Ausbau eines Supervisionsangebots zur psychischen und fachlichen Entlastung der Lehrer und Erzieher in Thüringen!
  • Den Umbau des Beschulungsformates auf ein adaptives Lern-Lehr-System zur gezielten Förderung gemäß der individuellen Begabung!

Der amerikanische Entwicklungspsychologe und Psychotherapeut Dr. Gordon Neufeld sagt, dass „eine stabile und einfühlsame Bindung der Kontext ist, in dem Bildung und Reifung erst möglich werden“. Helfen wir unseren Familien, Lehrern und Erziehern durch die eben genannten Maßnahmen, eine solche Bindung unseren Kindern und Jugendlichen anzubieten.

An diesem Tag bedanken wir uns deshalb auch bei allen Erziehern und Pädagogen, Lehrern und Trainern, die grade unter den schwierigsten Bedingungen ihren Mut und ihr Engagement nicht verloren haben und sich mit Herzblut in die Beziehung zu Kindern und Jugendlichen einbringen. Wir solidarisieren uns mit den Eltern, die häufig zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Anforderungen und den Bedürfnissen ihrer Kinder zerrissen werden. Wir als ökologische Demokraten werden uns auch über diesen Tag hinaus für unsere Kinder und Jugendlichen einsetzen!

Autor/in:
André Ziervogel
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Wichtiger Hinweis:
Blogbeiträge stellen die persönliche Meinung einzelner Parteimitglieder dar. Diese kann in Einzelfällen von der Programmlage der Partei abweichend sein. Auch ist es möglich, dass zu einzelnen Themen und Aspekten in der ÖDP noch keine Programmlage existiert.