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Persönlicher Kommentar

Ich habe Angst vor einem Bürgerkrieg

Persönlicher Kommentar zur Diskussion über ein Parteiverbot der AfD

Martin Truckenbrodt

Martin Truckenbrodt - Foto: ÖDP/Maria Strößenreuther

Die rechtsextremen Tendenzen in der AfD sind für mich unbestreitbar vorhanden, auch wenn sie mittlerweile nicht mehr so leicht erkennbar sind. Denn die betreffenden Mitglieder dieser Partei sind offensichtlich vorsichtiger geworden. Man muss nun deutlich stärker zwischen den Zeilen lesen. Die Interpretation dessen birgt jedoch auch gewisse Tücken für einen selbst, will man sich dazu öffentlich äußern.

Als jemand, der seit mehr als 20 Jahren im Landkreis Sonneberg zuhause ist, habe ich einen besonders starken Bezug zu diesem Thema. Die CDU hat zur letzten Landratswahl einen in der Bevölkerung unbeliebten Kandidaten aufgestellt. Dies führte zum ersten blauen Landrat Deutschlands. Der Landkreis steht auch nach zwei Jahren immer noch unter besonderer Beobachtung durch einzelne überregionale Medien. Das hat natürlich unschöne Auswirkungen auf das politische Klima im Landkreis.

Wesentlicher Bestandteil des Erfolgs dieser Partei ist das Protestwahlverhalten. Ich will dieses nicht gutheißen. Ich teile jedoch dennoch grundsätzlich ein hohes Maß an Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Politik. Ich meine jedoch, hier eine etwas andere Sichtweise und andere Kriterien dafür im Blick zu haben.

Unmittelbar nach der Landratswahl 2023 haben sich Vertreter des linken politischen Spektrums mitunter sehr unterschiedlich geäußert. Bodo Ramelow stellte sich als damaliger Ministerpräsident in gewisser Weise hinter die Menschen, wofür ich ihm auch heute noch überaus dankbar bin. Katrin Göring-Eckardt hingegen glänzte wiederholt damit, Protestwählerinnen und Protestwähler mit scharfen Worten pauschal in die rechte Ecke zu stellen.

Der zunehmenden Spaltung unserer Gesellschaft liegen nicht nur bestimmte Themen der letzten zehn Jahre zu Grunde. Ich sehe hier stattdessen eine deutlich ältere Entwicklung. Und als jemand der im heutigen Oberfranken aufgewachsen ist, sage ich es bewusst ganz deutlich: Der bis heute unvollendete Wiedervereinigungsprozess hat auch einen wesentlichen Anteil daran. Als noch etwas bedeutender betrachte ich hier allerdings das zunehmende Schwarz-Weiß-Denken.  Es gibt kein Grau mehr. Das heißt, es gibt keine Mitte mehr. Mit einziger Ausnahme vielleicht von Die Linke, stehen alle anderen großen sogenannten etablierten Parteien für eine neoliberale Politik. Eine dem Gemeinwohl dienliche Politik ist nicht mehr erkennbar. Regelmäßig werden z.B. bei der Ausarbeitung von Gesetzentwürfen die sozialen Aspekte nicht berücksichtigt. Dass hier viele Menschen von B’90/Grüne und SPD bis hin zu FDP und CDU/CSU keine gravierenden Unterscheide mehr erkennen können, kann ich gut nachvollziehen. Die AfD allerdings steht für ultraneoliberale Politik und ist auch deshalb definitiv keine Lösung.

Die Brandmauer-Politik vieler Beteiligter stärkt die blauen, sie schwächt sie nicht. Leider fehlt es vielen Aktiven des linken politischen Lagers an der Fähigkeit zur Selbstkritik. Den Begriff Blase halte ich hier durchaus für zutreffend. Aber auch viele der AfD-Unterstützer befinden sich in einer Blase. Das ist bei weitem nicht die einzige Gemeinsamkeit beider Extreme. Beide Extreme werfen der jeweils anderen Seite vor, die Demokratie zu gefährden, zu spalten, die Gesellschaft von oben verändern zu wollen, usw.. Das wäre ein Thema für sich!

Um es auf den Punkt zu bringen: Eine Partei verbieten zu wollen, welche aktuell Wahlergebnisse von mitunter deutlich über 40 Prozent erzielt, halte ich für einen schweren politischen Fehler! All denjenigen, die dies fordern, muss ich leider unterstellen, dass sie nicht verstanden haben, was hier aktuell in unserer Gesellschaft los ist. Auch wenn die AfD offensichtlich keinen militanten Arm wie seinerzeit die NSDAP in Form der SA hat, sehe ich dennoch eine große Gefahr für die Entstehung bürgerkriegsähnlicher Zustände in Deutschland. Davor habe ich große Angst! Aus der Eskalation zu Zeiten der Weimarer Republik ist die extreme Rechte als Sieger hervorgegangen. Wer kann garantieren, dass dies diesmal anders laufen wird?

Ich gehe nicht davon aus, dass die politische Linke ihr Verhalten ändern wird. Die ursprüngliche politische Mitte – Seeheimer Kreis der SPD, FDP, CDU/CSU – wird sich auch weiterhin eher bedeckt dazu halten und damit enttäuschen. Sie wird damit ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Daher ist es wichtig, dass wir als einzige nichtneoliberale Partei der politischen Mitte eine klare Position beziehen, mit der sich die große Mehrheit der Menschen identifizieren kann. Diese Position darf nicht vom Schwarz-Weiß-Denken geprägt sein. Sie muss stattdessen nicht nur klar und deutlich formuliert, sondern auch in gewisser Weise verständnisvoll sein. Denn Verständnis ist eine Grundvoraussetzung für ein Miteinander. Die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft können wir nur mit mehr Miteinander stoppen und umkehren.

Extremismusabgrenzungspapiere der ÖDP (auf Bundesebene)

Autor/in:
Martin Truckenbrodt
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Wichtiger Hinweis:
Blogbeiträge stellen die persönliche Meinung einzelner Parteimitglieder dar. Diese kann in Einzelfällen von der Programmlage der Partei abweichend sein. Auch ist es möglich, dass zu einzelnen Themen und Aspekten in der ÖDP noch keine Programmlage existiert.